Autobahnreichweiten von E-Autos

Die Diskussion um Elektroautos ist aktuell immer noch ziemlich einseitig und dreht sich vor allem um die angeblich zu geringe Reichweite – obwohl unsere Autos im Schnitt nur 50 Kilometer am Tag bewegt werden. Aber was, wenn ich tatsächlich regelmäßig lange Strecken zurücklegen muss? Mit dieser Frage beschäftigt sich mein heutiger Artikel.

Als Grundlage für diese Auswertung habe ich die NEFZ-Verbräuche aller E-Autos zugrunde gelegt, die derzeit in Deutschland erhältlich sind und die ich auch in meinem Preis-Check verwende. Dabei habe ich pauschal folgende Annahmen getroffen:

  • Berechnung „Autobahnverbrauch“: Verbrauch lt. NEFZ + 50% (entspricht ca. 110-120 km/h Autobahngeschwindigkeit)
  • Ladewirkungsgrad: 90%
  • Ladezeiten: 0 Minuten / 30 Minuten / 60 Minuten
  • Es steht immer die maximale Ladeleistung des Fahrzeugs zur Verfügung.

Bei Tesla habe ich nur 20% aufgeschlagen, da die Verbrauchswerte aus Wikipedia nach der amerikanischen EPA-Norm ermittelt wurden, welche praxisnaher sind. Grundsätzlich sind die 50% Aufschlag ein erster Richtwert, welcher natürlich je nach Fahrzeug, Umgebungsbedingungen, Fahrweise usw. variieren kann.

Das Ranking setzt sich jeweils aus den besten drei Fahrzeugen zusammen. Dabei habe ich die maximale Reichweite mit dem errechneten Autobahnverbrauch und einer zusätzlich zur Verfügung stehenden Ladezeit von 0 Minuten, 30 Minuten und 60 Minuten kalkuliert. Dabei ist es egal, ob einmal für 60 Minuten oder vier Mal für 15 Minuten geladen wird.

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Auf langen Strecken unschlagbar: Tesla Model S 100D (Foto: © Tesla, Inc.)

Als Referenzfahrzeug – also ein Fahrzeug außerhalb der Wertung – habe ich den Tesla Model S 100D gewählt, da dieser aktuell der Reichweiten-Benchmark ist. Als Vergleich dazu habe ich den Model X 75D hinzugenommen, da dieser die geringste Reichweite bei den Tesla-Fahrzeugen hat. Hätte ich Tesla-Fahrzeuge mitbewertet, wären auf den ersten Plätzen (fast) immer die gleichen Fahrzeuge gelandet :-).

Als weiteres Referenzfahrzeug habe ich meinen eigenen smart ed der „alten“ Generation mit dem 22-kW-Ladegrät hinzugefügt.

Aber kommen wir nun zu den Ergebnissen:

Autobahnreichweite – ohne Ladepause

Referenzfahrzeuge:

  • Model S 100D: 344 km
  • Model X 75D: 260 km
  • smart fortwo ed (BR451): 78 km

Ranking:

  1. Opel Ampera-e: 276 km
  2. Renault Zoe Z.E. 40: 206 km
  3. VW e-Golf: 188 km
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Wenig überraschend fährt der Opel Ampera-e mit seinem 60-kWh-Akku zunächst am weitesten. (Foto: © Adam Opel AG)

Bei der reinen (Autobahn-)Reichweite ohne Ladezeit spielt vor allem die Batteriegröße eine entscheidende Rolle. Daher überrascht es nicht, dass der Opel Ampera-e mit seinem 60-kWh-Akku hier ganz vorne steht – trotz des schlechteren Verbrauchs gegenüber seinen Wettbewerbern. Der Ampera-e kann so sogar das Model X 75D überholen. Die Renault Zoe Z.E. 40 fährt – ebenfalls bedingt durch den recht großen Akku – auf Platz zwei. Ebenfalls wenig überraschend: Das Model S 100D liegt hier deutlich über den restlichen BEVs.

Autobahnreichweite – mit 30 Minuten Ladepause

Referenzfahrzeuge:

  • Model S 100D: 530 km
  • Model X 75D: 448 km
  • smart fortwo ed (BR451): 121 km

Ranking:

  1. Opel Ampera-e: 379 km
  2. Hyundai Ioniq electric: 345 km
  3. VW e-Golf: 282 km

Nun kommt die Ladeleistung mit ins Spiel. Dadurch rutscht die Zoe Z.E. 40 auf den fünften Platz ab, da diese keine DC-Schnellladung bietet, sondern mit dem 22-kW-Lader in den 30 Minuten Ladepause nicht genug Energie nachladen kann.

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Durch seine hohe Ladeleistung schließt der Hyundai Ioniq bereits nach 30 Minuten Ladezeit zum Opel Amepra-e auf. (Foto: © Hyundai)

Der Ampera-e (50 kW DC-Ladeleistung) führt weiterhin die Liste an, kann aber mit der 120-kW-DC-Ladeleistung der Tesla Supercharger nicht mehr mithalten und muss das Model X 75D ziehen lassen.

Dafür ist der Hyundai Ioniq electric dem Ampera-e nun dicht auf den Fersen. Dieser muss sich die 30 Minuten in zwei Ladestopps aufteilen, da bei seiner DC-Ladeleistung von 72 kW die 28 kWh Batterie bereits in unter 25 Minuten zu 80% gefüllt ist, und darüber die Ladeleistung stark abnimmt. Hier lohnt es sich, die Ladepausen in zwei Mal 15 Minuten aufzuteilen.

Der VW e-Golf kann seinen dritten Platz verteidigen. Offenbar ist dem e-Golf ein guter Kompromiss aus Batteriegröße (35,8 kWh) und Ladeleistung (40 kW) gelungen.

Autobahnreichweite – mit 60 Minuten Ladepause

Referenzfahrzeuge:

  • Model S 100D: 716 km
  • Model X 75D: 635 km
  • smart fortwo ed (BR451): 165 km

Ranking:

  1. Hyundai Ioniq electric: 528 km
  2. Opel Ampera-e: 483 km
  3. Kia Soul EV: 400 km

Kraft seiner 72-kW-Gleichstromladung und seines geringen Verbrauchs überholt der Hyundai nun sogar den Ampera-e. Auch der Kia Soul EV macht durch seine hohe Ladeleistung von 62 kW einen Platz gut und verdrängt somit den e-Golf vom Siegertreppchen.

Kia Soul EV
Überraschend auf dem dritten Platz bei 60 Minuten Ladezeit landet der Kia Soul EV. Mit seiner 62-kW-Gleichstromladung kann er den VW e-Golf (nur 40 kW DC) überholen.

Der BMW i3 landet übrigens auf dem 5. Platz mit nur 10 Kilometern weniger als der e-Golf. Die Zoe Z.E. 40 ist mit 305 Kilometern inzwischen weit abgeschlagen bzw. wird sogar von der Variante mit dem kleineren 22-kWh-Akku um 4 Kilometer geschlagen, welche die doppelte Ladeleistung wie die Z.E. 40 aufweist.

Die Teslas sind inzwischen über 100 bis 200 Kilometer weiter gefahren als die restlichen BEVs. Somit bleibt der kalifornische Autobauer zum heutigen Zeitpunkt weiterhin die Messlatte für reichweitenstarke Elektrofahrzeuge.

Fazit

Bei den berechneten Werten handelt es sich natürlich um ein reines Zahlenspiel. Dennoch dürften die genannten Werte bei halbwegs vorrausschauender und sparsamer Fahrweise und bei wenigstens frühlingshaften Temperaturen durchaus erreichbar sein.

Was lernt man letztendlich aus diesen Zahlen?

Ladeleistung schlägt auf langen Strecken Akku-Kapazität.

Wer einen großen Akku und eine hohe Ladeleistung hat (siehe Tesla), ist natürlich auf langen Strecken unschlagbar. Aber sowohl der Ioniq als auch der Kia Soul – beide mit relativ kleinen Akkus ausgestattet – können sich auf langen Strecken durch ihre hohe DC-Ladeleistung nach vorne arbeiten. Mit den Ioniq ist dann sogar fast eine Strecke von Berlin nach München mit nur einer Stunde Ladepause machbar.

Ebenfalls wenig überraschend ist die Positionierung des Opel Ampera-e. Mit seiner großen Batterie und der ausreichend hohen DC-Ladeleistung von 50 kW fährt er immer vorne mit.

Wer also vor hat, regelmäßig längere Strecken in Angriff zu nehmen, sollte auch auf eine hohe Ladeleistung als auf einen maximal großen Akku achten. Weiterer Vorteil: Durch kleinere Akkus werden die Autos günstiger, leichter und die Umweltbilanz wird noch besser.

Ergänzende Infos

Die komplette Liste könnt ihr hier als Excel-Datei herunterladen: Autobahnverbrauch_2018-01-07

Übersicht der Batteriegrößen, Ladeleistungen und Verbräuche gemäß der oben genannten Annahmen:

Fahrzeug E-Inhalt
Batterie
[kWh]
Lade-
leistung
AC [kW]
Lade-
leistung
DC [kW]
Verbr.
NEFZ
[kWh/100km]
Verbr.
Autobahn
[kWh/100km]
BMW i3 27,2 11 50 13,1 19,7
BMW i3s 27,2 11 50 14,3 21,5
Citroen Berlingo Electric 22,5 3,2 50 17,7 26,6
Citroen C-Zero 14,5 3,2 50 12,6 18,9
Citroen E-Mehari 30 3,7 41,3 62,0
Ford Focus Electric 33,5 6,6 50 16,4 24,6
Hyundai Ioniq Elektro 28 6,6 70 11,5 17,3
Kia Soul EV 30 6,6 62 14,3 21,5
Mercedes-Benz B 250 e 28 11 16,6 24,9
Mitsubishi EV 16 3,7 50 12,5 18,8
Nissan E-NV200 24 6,6 50 16,5 24,8
Nissan E-NV200 Evalia 24 6,6 50 16,5 24,8
Nissan Leaf 24kWh 24 6,6 50 15 22,5
Nissan Leaf 30kWh 30 6,6 50 15 22,5
Opel Ampera-e 60 7,2 50 14,5 21,8
Peugeot iOn 14,5 3,2 50 12,6 18,9
Peugeot Partner Electric L1 22,5 3,2 50 17,7 26,6
Renault Kangoo Z.E. 33 33 4,6 15,2 22,8
Renault Twizy 6,1 2,2 6,3 9,5
Renault Zoe 22 44 13,3 20,0
Renault Zoe Z.E. 40 41 22 13,3 20,0
smart forfour ed 17,6 4,6 13,1 19,7
smart fortwo cabrio ed 17,6 4,6 13 19,5
smart fortwo ed 17,6 4,6 12,9 19,4
smart fortwo ed C451 17,6 22 15,1 22,7
StreetScooter Work 20 3,7 25 37,5
Tesla Model S 100D 100 16,5 120 24,2 29,0
Tesla Model S 75D 75 11 120 22 26,4
Tesla Model S P100D 100 16,5 120 24,7 29,6
Tesla Model X 100D 100 16,5 120 26 31,2
Tesla Model X 75D 75 11 120 24 28,8
Tesla Model X P100D 100 16,5 120 26,5 31,8
Volkswagen e-Golf 35,8 7,2 40 12,7 19,1
Volkswagen e-up! 18,7 3,7 40 11,7 17,6

Übersicht der Gesamtreichweiten mit Autobahnverbrauch und den veranschlagten Ladezeiten:

Fahrzeug Reichw.
(0 min. Laden)
[km]
Reichw.
(30 min. Laden)
[km]
Reichw.
(60 min. Laden)
[km]
BMW i3 138 253 367
BMW i3s 127 232 337
Citroen Berlingo Electric 85 169 254
Citroen C-Zero 77 196 315
Citroen E-Mehari 48 51 54
Ford Focus Electric 136 228 319
Hyundai Ioniq Elektro 162 345 528
Kia Soul EV 140 270 400
Mercedes-Benz B 250 e 112 132 152
Mitsubishi EV 85 205 325
Nissan E-NV200 97 188 279
Nissan E-NV200 Evalia 97 188 279
Nissan Leaf 24kWh 107 207 307
Nissan Leaf 30kWh 133 233 333
Opel Ampera-e 276 379 483
Peugeot iOn 77 196 315
Peugeot Partner Electric L1 85 169 254
Renault Kangoo Z.E. 33 145 154 163
Renault Twizy 65 75 86
Renault Zoe 110 210 309
Renault Zoe Z.E. 40 206 255 305
smart forfour ed 90 100 111
smart fortwo cabrio ed 90 101 111
smart fortwo ed 91 102 112
smart fortwo ed C451 78 121 165
StreetScooter Work 53 58 62
Tesla Model S 100D 344 530 716
Tesla Model S 75D 284 489 693
Tesla Model S P100D 337 520 702
Tesla Model X 100D 321 494 667
Tesla Model X 75D 260 448 635
Tesla Model X P100D 314 484 654
Volkswagen e-Golf 188 282 377
Volkswagen e-up! 107 209 312

3 Antworten auf „Autobahnreichweiten von E-Autos

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  1. Hey Marcus, endlich mal ein Artikel, der über den „hauptsache große Batterie“-Tellerrand hinausblickt. Mich stört das schon eine Weile, dass in Sachen Reichweite aktuell fast nur über Batteriegrößen diskutiert wird und die kommenden E-Fahrzeuge mit zunehmend großen, schweren, nicht gerade umweltschonenden Batterien ausgestattet werden.

    Ich kann daher auch den Hype um den Ampera-E nicht so richtig nachvollziehen. Die Reichweite mag praxistauglicher sein als bei allen anderen „nicht-Teslas“, aber der Verbrauch ist z.B. im Vergleich zum Ioniq echt mies.

    Vielleicht könntest du ja mal einen Artikel zur Effizienz von E-Antrieben schreiben und was da noch zu holen ist? Ein Fahrzeug mit 10kWh/100km Verbrauch fährt mit der gleichen Batterie schließlich auch doppelt so weit wie eins mit 20kWh/100km.

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  2. Mir gefällt der Beitrag gut, Danke dafür. der Trend geht ganz eindeutig zu immer größeren Batterien. Mein Standpunkt zur Batterie, so klein wie möglich und so groß wie nötig. Sie sollte zum Alltag passen, an Langstreckenfahrten in den Urlaub denke ich weniger, denn sie sind nicht der Alltag.

    Man muss sich grundsätzlich immer als Nutzer mit dem Wagen und der Ladestrategie befassen, viele wollen und/oder können das nicht. Ein unkalkulierbares Risiko sind immer geplante Ladestopps ohne sichere Reserve, wenn dann der Ladepunkt belegt oder defekt ist, einen Ersatzkanister hat man leider nicht.

    Da ist die Renault Batterie Miete mit der darin enthaltenen Assistance praktisch, die schleppen einen zum nächsten Ladepunkt. Will und braucht man das wirklich? Man kann das beliebig oft anfordern, aber es ist wohl doch eher eine Notoption, die man nicht erleben möchte.

    Mit Typ 2 ist man in Europa ganz gut aufgestellt, im Idealfall gibt es auch noch CCS, doch beides passt nicht immer zum Wagen. CCS bieten nicht alle Hersteller an und Typ 2 wird nicht leistungsgerecht genutzt, oft sind es nur 7kW Ladeleistung.

    Wir brauchen mehr Normierung, nicht nur national, nicht nur in der EU, sondern weltweit. Die Ladeinfrastruktur wäre mit einheitlichen Standards einfacher und kostengünstiger zu schaffen, nötigenfalls auch über geeignete Adapter.

    Den Trend zu immer schnelleren Ladungen sehe ich differenziert, man sollte sie nicht regelmäßig benutzen, den Akku schonen. Mitsubishi hat damals im iMIEV darauf hingewiesen, die Gleichstrom Ladung nur sporadisch zu nutzen, sie fördert die Akku Alterung.

    Die Zoe hat die Ladung auf 22kW abgeregelt, die erste Generation konnte noch 41kW, doch dafür muss man auch erst mal einen entsprechend ausgebauten Typ 2 Ladepunkt finden. 22kW sind schon nicht schlecht.

    Im CarSharing fahre ich sporadisch den ersten eGolf, die 3,7kW Schnarchladung ist schon sehr unpraktisch und der BMW i3 bei DriveNow kann es leider auch nicht besser, jedenfalls die von mir gefahrenen i3, überwiegend auch noch mit dem kleinen Akku, vor dem Update.

    Kein einfaches Thema, es zeigt zudem, man sollte sich damit befassen, doch wer tut das schon so tiefgreifend? Der Normalbürger sicher nicht, er will unkompliziert fahren und möglichst kleine Nachteile zum vorherigen Verbrenner haben.

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