Zu Besuch bei den Stadtwerken Sindelfingen

Vor kurzem erhielt ich die Gelegenheit die Stadtwerke Sindelfingen zu besuchen und mit dem Prokuristen und technischen Bereichsleiter Uwe Malach über die Elektromobilität und die damit verbundenen Herausforderungen für die lokalen Netze zu plaudern.

Das sind die Stadtwerke Sindelfingen

Die Stadtwerke Sindelfingen gehören zu der Vielzahl der kommunalen Energieversorger, die uns alle mit Strom, Wärme und Wasser versorgen. Die Stadtwerke Sindelfingen haben 1998 das Stromnetz von der EVS, der heutigen Netze BW, übernommen.

Spannungsnetze
Aufbau unserer Stromversorgung. Die Stadtwerke Sindelfingen sind für die Mittel- und Niederspannungsnetze in Sindelfingen verantwortlich. (Quelle der Darstellung: Fachkunde Elektrotechnik, Verlag Europa-Lehrmittel, 25. Auflage, 2006).

Zu den Stadtwerken Sindelfingen gehört das komplette Mittelspannungs- und Niederspannungsnetz der Stadt. Das Mittelspannungsnetz (10 kV bis 30 kV) ist über zwei Umspannwerke mit dem Hochspannungsnetz (110 kV) der Netze BW, einer EnBW-Tochter, verbunden.

Stadtwerke_Sifi_Google_Maps
Direkt in der Nähe der Zentrale befindet sich der Betriebshof und eines von zwei Umspannwerken der Stadt. (Darstellung auf Basis Google Maps)

Aber kommen wir zurück zu meinem Gesprächspartner, Herrn Uwe Malach. Herr Malach ist nicht nur technischer Bereichsleiter bei den Stadtwerken Sindelfingen sondern auch im Vorstand des Vereins zukunft mobil Baden-Württemberg e.V., welcher sich für die Unterstützung der Erdgas- und Elektromobilität „im Ländle“ einsetzt.

Der Fuhrpark

Ein Elektroauto fährt Herr Malach noch nicht, kann sich dies aber als „Zweitwagen definitiv vorstellen“. Überzeugungsarbeit muss hier jedenfalls keine mehr geleistet werden. Die Vorteile der Elektroautos – vor allem bezogen auf die Unterhaltskosten im Fuhrparkbetrieb – kennt Herr Malach genau. Der Verein zukunft mobil berät Firmen bei ihrer Fuhrparkplanung.

Der Fuhrpark der Stadtwerke Sindelfingen besteht derzeit fast vollständig aus Erdgasfahrzeugen. Einen Diesel-Sprinter gibt es noch, der vor allem für den Anhängerbetrieb eingesetzt wird. Einziges Elektroauto im Fuhrpark ist aktuell noch die Mercedes B-Klasse – noch. Denn weitere Elektroautos werden bereits auf ihre Fuhrparktauglichkeit geprüft.

Mit Interesse wurde daher bereits der Streetscooter getestet. „Unsere Mitarbeitet sind mit unseren Erdgas-Sprintern natürlich verwöhnt“, resümiert Herr Malach. „Da ist der Streetscooter deutlich spartanischer. Aber für den gedachten Einsatzzweck trotzdem ein geniales Auto.“ Die Stadtwerke benötigen Fahrzeuge mit großem Ladevolumen und hoher Nutzlast, da häufig schwere Maschinen transportiert werden müssen. Daher sind vielleicht die kürzlich von Daimler angekündigten Elektroversionen von Vito und Sprinter etwas für den Fuhrpark.

Aber auch die diversen VW eco-ups werden bald Konkurrenz von ihren elektrischen Brüdern bekommen. Ein Test des e-ups ist bereits in Planung.

Herausforderungen für das Netz

„Aktuell fahren wir auf Sicht“, gibt Herr Malach zu. Die bisher verbauten Ortstrafos, welche das Mittelspannungsnetz mit den Niederspannungsnetzen verbinden, geben wenig bis keine Rückmeldung über ihre aktuelle Auslastung. Es gibt daher kaum eine Möglichkeit, den aktuell abgehenden Strombedarf der einzelnen Niederspannungsnetze zu ermitteln. Erste Trafos, die genau dies können, sind allerdings schon in Planung. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass so ein Trafo gerne mal 50 Jahre im Einsatz ist. Daher muss langfristig vorgeplant werden.

IMG_8741
Noch kann an der Ladesäule der Stadtwerke kostenlos Strom gezapft werden. Im Hintergrund befindet sich die Zentrale der Stadtwerke Sindelfingen.

Im Neubaugebiet Allmendäcker II geschieht genau das. „Wir haben uns bereits präventiv den Platz für ein zweites Trafohäuschen gesichert“, erläutert Herr Malach. „Außerdem werden wir bei der Leitungsverlegung zusätzliche Leerrohre verlegen. Dadurch können wir später mit geringem Aufwand das Niederspannungsnetz ausbauen, wenn dies erforderlich werden sollte.“ Sollten einmal viele Elektroauto-Besitzer in diesem Wohngebiet leben, die abends ihr Fahrzeug an die Steckdose hängen, dann kann relativ schnell reagiert werden.

Bei älteren Wohngebieten sieht die Situation natürlich anders aus. „Ein Ausbau der vorhandenen Infrastruktur ist aufwendig und teuer“, merkt Herr Malach an. „Es ist daher umso wichtiger, dass E-Auto-Besitzer ihre privaten Ladestationen bei uns anmelden.“ Nur so kann der Leistungsbedarf der Niederspannungsnetze abgeschätzt werden und es können rechtzeitig entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, damit das lokale Niederspannungsnetz nicht überlastet wird oder es sogar zu einem Stromausfall kommt. Da die Dunkelziffer nicht gemeldeter Ladepunkte nicht bekannt ist, aber vermutlich deutlich über der Anzahl der gemeldeten Ladepunkte liegt, ist der genaue aktuelle und prognostizierte Bedarf derzeit schwer abzuschätzen. Grundsätzlich sind alle Anschlüsse mit einer Leistung von 4,6 kW bis 12 kW anmeldepflichtig. Bei über 12 kW gilt sogar eine Genehmigungspflicht.

Regelung des Stromnetzes

Bereits heute ist ein Zugriff auf Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) mit einer Spitzenleistung von über 10 Kilowatt durch die Netzbetreiber gesetzlich erforderlich. Darüber haben die Netzbetreiber ein Werkzeug in der Hand, um die eingespeiste Leistung bei einem Überangebot reduzieren zu können. Ähnliches kann sich auch Herr Malach für private Ladepunkte mit mehr als 10 Kilowatt vorstellen – nur eben in umgekehrter Richtung.

Nachts, wenn die PV-Anlagen keinen Strom einspeisen und temporär Flaute herrscht, könnten die Leistungen der Wallboxen gedrosselt werden, um das Netz zu stabilisieren. Bei einer nächtlichen Ladezeit von 10 Stunden würde man eine Verringerung der Ladeleistung um vielleicht 50% kaum merken und die Batterie wäre am nächsten Morgen trotzdem voll geladen. „Denkbar wäre es auch den Kunden als Gegenleistung dafür attraktive Konditionen anzubieten“, schlägt Herr Malach vor. So ergäbe sich eine Win-Win-Situation für Netzbetreiber und E-Auto-Fahrer.

Für größere Wohneinheit empfiehlt Herr Malach die Installation eines Lastmanagements, über welches die maximale Anschlussleistung des Gebäudes gleichmäßig aufgeteilt werden kann. Auch hier wäre ein Zugriff durch die Netzbetreiber denkbar, um Leistungsregelungen durchführen zu können, damit das Netz stabilisiert wird.

Einbauzähler
Ein separater Zähler für die Lademöglichkeit in der Garage würden Stadtwerken bereits helfen, den Strombedarf besser abzuschätzen.

Ein weiterer Schritt wäre die Pflicht zu Installation eines separaten Zählers bzw. Smart-Meters für jeden privaten Ladepunkt, worüber der aktuelle Verbrauch ermittelt werden kann. Da hiermit jedoch höhere Kosten für die Installation des Ladepunktes einhergehen und nicht immer die baulichen Gegebenheiten dies zulassen, ließe sich diese Maßnahme nur eingeschränkt umsetzen.

Vielleicht ist ja eine Kombination dieser Vorschläge, verbunden mit einem sukzessiven Ausbau der Niederspannungsnetze der richtige Weg, um diese Herausforderungen meistern zu können. Eine akute Gefahr sieht Herr Malach aktuell aber nicht.

Schließlich wurde seit der Gründung der Stadtwerke Sindelfingen fleißig in den Netzausbau und die Netzerneuerung investiert. So wurden seitdem ungefähr 50% des gesamten städtischen Mittelspannungsnetzes erneuert, womit Sindelfingen über ein relativ modernes Netz verfügt.

Ladesäulenausbau

Die aktuell in Sindelfingen installierten Ladesäulen gehören der EnBW und werden von diesen auch betrieben. Diese Ladesäulen wurden noch relativ beliebig in der Gegend aufgestellt. Worauf allerdings zukünftig geachtet werden muss, ist eine gleichmäßige Verteilung der Ladesäulen, um die Niederspannungsnetze gleichmäßig zu belasten.

GenerationStrom-12004-160828-b
Eine Ladestation der EnBW, im Netzgebiet der Stadtwerke Sindelfingen.

Zusammen mit chargeIT werden aktuell zwei Ladesäulen in Sindelfingen aufgebaut, die der Stadt gehören, aber durch die Stadtwerke betrieben werden. Diese werden über einen zeit- und leistungsabhängigen Tarif verfügen, der preislich fair für alle Nutzer sein soll. Die Anforderungen aus dem Eichrecht und der Ladesäulenverordnung werden diese Ladepunkte erfüllen. Außerdem soll mit den Ladesäulen mindestens die „schwarze Null“ erzielt werden – schließlich sind die Stadtwerke ein Unternehmen, welches wirtschaftliche Entscheidungen treffen muss.

Unterm Strich sehen sich die Stadtwerke Sindelfingen gut gerüstet für die elektromobile Zukunft. Dennoch muss heute mit dem Um- und Ausbau der notwendigen Infrastruktur begonnen werden, um zukünftig weiterhin eine stabile Versorgung gewährleisten zu können. Herr Malach arbeitet daher bereits heute an dem Stromnetz von morgen.

Kommentar verfassen

Webseite erstellt mit WordPress.com.

Nach oben ↑