Probefahrt: Tesla Model 3

Bei einem Probefahrt-Event in kleiner Runde erhielt ich die Möglichkeit, die US-Variante des Tesla Model 3 genauer unter die Lupe zu nehmen und auch ein paar Meter fahren zu können. Meine ersten Eindrücke möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten!

Das Tesla Model 3 ist in den USA inzwischen zum meistverkauften Fahrzeug im Segment der „Luxury Midsize Sedans“ avanciert – und hat somit Wettbewerber vom Schlage eines Audi A4, BMW 3er oder einer Mercedes C-Klasse abgehängt.

Auch die Produktionszahlen nehmen langsam Fahrt auf. Bloomberg hat dazu extra eine Seite eingerichtet, auf der die aktuellen Verkaufszahlen geschätzt werden. Zur Zeit liegt der Zähler bei 3.500 Fahrzeugen – pro Woche! Auch wenn das Ziel von 5.000 bis 6.000 Fahrzeugen noch ein gutes Stück entfernt ist, ich kenne kein EV, dass da aktuell mithalten kann.

Das Design

Neben der Schar von Model S und erst recht neben dem großen Model X wirkt das Model 3 deutlich kompakter, filigraner, schlanker – und ist natürlich viel parklückenkompatibler. Im unauffälligen schwarz gehalten, fällt das Model 3 zunächst nur Kennern auf. Viele Köpfe der Passanten bewegten sich jeweils nicht bei der (kurzen) Probefahrt durch die Schweiz.

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Im Model 3 werden moderne LED-Scheinwerfer verbaut.

Insgesamt ist das Model 3 eher zurückhaltend und ruhig gestylt und setzt einen erfrischenden Gegenpol zur Verbrennerkonkurrenz in dieser Klasse, die sich mit immer größeren Kühlergrills gegenseitig zu übertrumpfen versucht.

Bei den Frontleuchten handelt es sich um LED-Schweinwerfer, die man bei solch einem Fahrzeug auch erwarten darf. Die metallisch glänzenden Halterungen der Rückspiegel gehen in die Zierleisten der Türen über.

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Die Rückleuchten verfügen ebenfalls über LED-Technik. Der Blinker leuchtet in der US-Version rot.

Mechanisch versenkbare Türgriffe

Wie beim Model S sind die Türgriffe versenkt. Im Gegensatz zu den Oberklasse-Fahrzeugen fahren diese jedoch nicht elektrisch aus, sondern müssen mit einem Druck auf die hintere Stelle des Griffs ausgeklappt werden. Das ist zunächst etwas ungewohnt – hat man aber wiederum nach ein paar Öffnungsvorgängen verinnerlicht. Wie gut dieser Mechanismus nach einem Unfall funktioniert, nachdem die Türen eventuell mit großer Kraft geöffnet werden müssen, wird sich im Euro-NCAP zeigen müssen.

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Die Türgriffe sind – aerodynamisch vorteilhaft – wieder versenkt. Die Hebelbedienung ist aber etwas gewöhnungsbedürftig.

Wer mäßige Spaltmaße sucht, wird natürlich fündig. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein sehr frühes Exemplar handelt. Bis zu einem Marktstart in Europa dürfte und sollte sich die Qualität gerne noch etwas verbessern.

Mit dem stimmigen, schlichten aber aerodynamisch effizienten Design (cW=0,23) gehört das Model 3 in meinen Augen derzeit zu den optisch gelungensten BEVs auf dem Markt.

Der Innenraum

Was bei dem Fahrzeug sofort auffällt, ist das extrem aufgeräumte und symmetrische Cockpit, welches von dem riesigen 15″-Display dominiert wird. Das Lenkrad verfügt lediglich über zwei Hebel: einen für Blinker, Scheibenwischer, usw. und einen für die Fahrstufe (P, R, N und D) und den Autopiloten. Ergänzt werden die mechanischen Bedienelemente lediglich durch zwei Walzen, welche sich links und rechts auf dem Drei-Speichen-Lenkrad befinden. Das war’s dann auch schon.

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Alle weiteren Einstellmöglichkeiten (Lenkrad, Lüftung, Klimaanlage, …) und natürlich das komplette Infotainment, sowie die Fahrzeugeinstellungen werden über den zentralen, mittig angeordneten Bildschirm gesteuert.

Kein Armaturenbrett

Nimmt man hinter dem Volant Platz, ist man ob der fehlenden Armaturen zunächst etwas irritiert. Fahrer eines Toyota Prius, Renault Espace oder Nissan X-Trails mögen diesen Anblick bereits kennen – ist das Konzept von mittig angeordneten Instrumenten ja nicht neu. Beim Model 3 schaut man dafür auf sehr modernes und stilsicheres Holzdekor, welches sich einmal quer von links nach rechts durch das Cockpit zieht.

Die Infos, die man zum Fahren braucht (Geschwindigkeit, die eingelegte Fahrstufe, die Reichweite und sogar die Blinkeranzeige) werden in der oberen linken Ecke des Bildschirms angezeigt. Das ist zunächst ebenfalls etwas irritierend, allerdings denke ich auch, dass man sich nach ein paar Tagen daran gewöhnt hat und dann die Augen nicht mehr ständig auf das Holzdekor richtet.

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Das Cockpit wird von dem riesigen 15″-Display dominiert.

Das Infotainmentsystem und der Autopilot waren bei dem Testfahrzeug nicht voll funktionsfähig, da es sich eben um ein US-Modell handelt und Features wie Verkehrszeichenerkennung, Navigation oder Musik-Streaming noch nicht auf den europäischen Markt abgestimmt sind. Übermäßig intuitiv erscheint die Bedienung auf den ersten Blick auch nicht. Fahrer eines Tesla Model S kommen aber möglicherweise schneller mit der Menüstruktur zurecht.

Keine einzelnen Luftausströmer

Das Model 3 verfügt über keine einzelnen Luftausströmer, sondern weist stattdessen  einen durchgängigen Schlitz auf, der sich oberhalb des Holzdekors befindet. Die Luftströmung kann trotzdem sehr einfach und für Fahrer und Beifahrer individuell angepasst werden, in dem man auf dem Display den Fokuspunkt einfach auf die entsprechende Stelle zieht. Super einfach und genial. Leistungsstark ist die Klimaanlage auch – schwitzen musste daher keiner der (Mit-)Fahrer. Nun gut, ein US-Fahrzeug ohne ordentliche Klimaanlage wäre praktisch auch unverkäuflich.

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In der linken, oberen Ecke des Displays erhält man die Infos, die man sonst vom Kombiinstrument erhält.

Viel Platz im Innenraum

Zwischen den bequemen und elektrisch verstellbaren Vordersitzen befindet sich noch eine Mittelkonsole mit Ablagen. Der glänzende Klavierlack hat mir allerdings bisher bei keinem Auto so richtig gefallen und das ändert sich auch nicht mit dem Model 3. In meinen Augen wirkt Klavierlack eher billig – zumal Fingerabdrücke ein leichtes haben, sich darauf zu verewigen. Hier darf Tesla gerne noch andere Oberflächenoptionen anbieten.

Beinfreiheit hat man hingegen sowohl auf den Vorder- als auch auf den Rücksitzen mehr als genug. Ich war überaus überrascht, wie viel Platz für die Knie auf der Rücksitzbank bleibt, wenn vorne Personen mit durchschnittler Körpergröße sitzen. Andere Wettbewerber bieten hier deutlich weniger. Allerdings sitzt man mit den Füßen vielleicht etwas hoch. Eine Eigenart, die viele BEVs aufgrund der im Boden verbauten Batterie mit sich bringen. Für Kinder dürfte der Platz jedoch in jedem Fall mehr als ausreichend sein.

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Der Luftausströmer für die Fond-Passagiere ist klassisch gehalten. Zwei USB-Ports versorgen Smartphone und Co.

Ebenfalls angenehm ist das Fehlen eines Mitteltunnels. So kann man sich durchaus vorstellen, auch zu dritt hinten zu sitzen. Klar, dass es um die Schultern dann ziemlich knapp wird, aber zumindest die Füße finden genug Platz.

Die Rückbank verfügt natürlich ebenfalls nur über eine geringe Anzahl von Bedienelementen: zwei „klassische“ Luftausströmer, zwei USB-A-Ladeports, jeweils ein Fensterheber – das war’s.

Türöffnung per Knopfdruck

Nicht zu vergessen natürlich noch die Türöffner: Beim Model 3 werden die Türen über Knöpfe geöffnet, die man zunächst nicht für diese Funktion identifiziert. Auch hier ist zunächst etwas Eingewöhnung erforderlich. Nach ein paar Mal hat man den Dreh aber raus und öffnet die Türen auch nicht mehr über die dominanteren Hebel für die „Notentriegelung“. Wichtig zu wissen: Nur bei den Knöpfen fahren die Fensterscheiben der rahmenlosen Türen ein Stück herunter. Bei den Hebeln der Notentriegelung geschieht das nicht, weshalb man diese nicht zu oft benutzen sollte. Bei dauerhafter Anwendung könnte sonst der Dichtungsgummi in Mitleidenschaft gezogen werden.

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Dieser unauffällige Knopf wird zum Öffnen der Türen benötigt.

Zwei Kofferräume

Steigen wir also aus dem Fahrzeug aus und gucken uns die Gepäckabteile an. Wie es sich für einen Tesla gehört, hat das Model 3 davon zwei: vorne und hinten. Der hintere Gepäckraum ist eine gut nutzbare Höhle mit viel Platz für Koffer und Taschen. Darunter befindet sich auch noch eine zweite Ebene, die so ziemlich alles an Ladekabeln und Ladezubehör aufnimmt, was man als E-Auto-Fahrer so braucht. Und selbst dann wäre in diesem Zusatzfach noch genug Platz für eine Laptoptasche und weiteren Kleinkram. Zur Erweiterung des Ladeabteils lässt sich zusätzlich die Rücksitzbank asymmetrisch umlegen.

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Großer Kofferraum, der noch eine ordentliche Verkleidung auf der Oberseite vertragen könnte. Die zweite Ebene unter dem Kofferraumboden bietet weiteren Stauraum.

Ein weiterer Punkt, an dem Tesla gerne nacharbeiten darf, ist die Kofferraumverkleidung an der Oberseite – also der Bereich, den man auf den ersten Blick nicht sieht. Hier schaut man auf nacktes Blech, Klebe- und Schweißnähte aus dem Rohbau und einem merkwürdigen, nicht verschlossenen Durchbruch zur Heckscheibe. Das kann man besser lösen.

Der vordere Kofferraum – „Frunk“ genannt – bietet zusätzlichen Stauraum, bspw. für Sporttaschen oder kleine Sprudel-Kästen. Insgesamt sollen die Kofferräume ein Volumen von 425 Liter aufweisen. Wem das nicht reicht, der muss wohl auf das Model Y warten, welches das SUV-Modell auf Basis des Model 3 werden soll.

Das Fahrverhalten

Als erstes fällt einem natürlich der ansatzlose und gewaltige Antritt des Fahrzeugs auf. Geräuschlos bekommt man einen Tritt in den Rücken, mit dem man bei solch einem Fahrzeug nicht rechnen würde. Klar, das Model S ist noch etwas schneller, aber das Model 3 steht dem Fahrerlebnis in nichts nach.

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Kurzzeitg kann man beim Autopiloten zwar die Hände vom Lenkrad nehmen, aber das Testfahrzeug war noch nicht auf die europäischen Straßenschilder und Fahrbahnmarkierungen adaptiert.

Für meinen Geschmack reicht die Leistung mehr als aus. Das Model 3 verfügt in der bisher ausschließlich angebotenen Version „Long Range“ mit Heckmotor (RWD) und 75-kWh- Batterie über 192 kW (262 PS). Die schwächere „Standard“-Version wird weniger Leistung haben – wie viel ist allerdings noch nicht bekannt. Wie auch immer, auch hier wird die Leistung völlig ausreichen. Die Beschleunigung soll in der Standard- Variante nur eine halbe Sekunde langsamer ausfallen und 5,8 anstatt 5,3 Sekunden von Null auf 100 km/h betragen.

Obwohl das Model 3 von den diversen Fahrern nicht geschont und die Beschleunigung natürlich mehrfach ausgekostet wurde, ließ sich die Reichweitenanzeige nicht dazu überreden, übermäßig viele Kilometer abzuziehen. Die nach der strengen EPA-Norm ermittelte Reichweite von 499 km erscheint bei halbwegs gezügelter Fahrweise nicht unrealistisch. 400 Kilometer dürften im Alltag in jedem Fall drin sein, zumindest so lange man nicht die Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h auskostet.

Über den Komfort konnte man auf der kurzen und topfebenen Strecke nicht viel in Erfahrung bringen. Laut Aussage des Besitzers soll das Model 3 aber durchaus straff-europäisch und direkt abgestimmt sein.

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Die Kameras für den Autopilot sind unauffällig in der Karosserie integriert.

Handlicher als ein Model S ist das Model 3 allemal. Um das Fahrverhalten jedoch exakter beurteilen zu können, würde ich das Fahrzeug aber gerne einmal über verwinkelte (und oft auch etwas holprige) Schwarzwaldstraßen jagen. Lust darauf macht der erste Eindruck des Handlings in jedem Fall.

Apropos: Die Bremsperformance konnte ich auf der kurzen Strecke natürlich nicht testen.

Die Lademöglichkeiten

Bei der getesteten US-Version ist serienmäßig nur ein Einphasen-AC-Lader mit ca. 6 bis 7 kW verbaut, da es in den USA keinen Drehstrom gibt, wie wir es aus Europa kennen. Allerdings wird Tesla in der Europa-Variante auch wieder einen Dreiphasen-AC-Lader mit einer Leistung zwischen 11 und 22 kW anbieten, wie er beim Model S derzeit auch verfügbar ist.

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Das getestete US-Fahrzeug verfügt über den propietären Tesla-Anschluss. Über diesen wird mit AC und DC (am Supercharger) geladen.

Zusätzlich kann das Model 3 natürlich an jedem Supercharger geladen werden. Das Testfahrzeug allerdings nur in den USA, da es über den proprietären Tesla-Anschluss verfügt, der hier nicht untersützt wird. In Europa wird das Model 3 aber wieder einen Typ-2-Stecker erhalten, womit man den Tesla dann auch an jeder „normalen“ AC-Ladesäule laden kann – und natürlich an europäischen Superchargern, die immer über den Typ-2-Stecker verfügen. Angeblich soll die DC-Ladeleistung bis zu 130 kW betragen.

Der Preis

Hier kann man nur spekulieren, da die Preise für Europa, geschweige denn Deutschland noch nicht bekannt gegeben wurden. Daher verweise ich auf die Seite model3.info, die versucht hat, einen möglichen Preis für das Model 3 abzuschätzen. Das hier gezeigte Fahrzeug würde demnach zwischen 50.000 und 55.000 Euro liegen.

Fazit

Zum heutigen Zeitpunkt ist das Model 3 definitiv das beste und konsequenteste Elektroauto auf dem Markt – mit dem Pferdefuß, dass es in Deutschland leider noch nicht verfügbar ist.

Reichweite, Beschleunigung, Platzangebot, Effizienz und Lademöglichkeiten sind alles Punkte, mit denen das Model 3 überzeugt. Bis zum Serienstart in Europa bin ich auch sicher, dass Tesla das Problem mit den Bremsen hinbekommt, falls es denn überhaupt existiert.

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Der Autor im Tesla Model 3.

Sollte man also sofort ein Tesla Model 3 ordern, um vielleicht 2020/2021 einen zu erhalten? Da wäre ich noch etwas unschlüssig. Bis das Model 3 auch für Kurzentschlossene in Deutschland verfügbar ist, vergeht noch viel Zeit. Zeit, die die deutsche Konkurrenz hoffentlich nutzt, um attraktive Gegenangebote zu erzeugen. Die MEB-Fahrzeuge von VW sollten bis dato auch am Start sein. Dann werden die Karten möglicherweise neu gemischt.

Anmerkungen:

Bei den technischen Daten habe ich mich die Werte aus dem Fachblatt „Elektroautomobil“ (Ausgabe 02/2018) bezogen.

Mein Dank geht an Lars Thomson, CEO von future matters, und die Mannschaft von Juice Technology, welche dieses Event ermöglicht haben.

Weiterführende Links:

Inhalte von GenerationStrom:

Fremdinhalte:

5 Antworten auf „Probefahrt: Tesla Model 3

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  1. Ja Tesla. Die Marke löst bei so ziemlich jeden den ich kenne und sich mit E-Autos befasst ein gewisses Wow aus. Ich denke das liegt im Grunde daran das Tesla eben nicht Quatscht und zukünftige Zukunftsstudien für die Zukunft der Zukunft ankündigt.Sie machen es einfach. Das Auto wird so Orakel ich jetzt mal auch in Deutschland ein Kracher. Wenn mein Finanzieller Spielraum es erlaubt hätte, ich hätte auch schon meine Bestellung abgegeben.Wie viel wirklich Praktikable E-Autos gibt es denn hier? Mir fallen nur der Nissan Leaf oder eben mein Zoe Z40 ein. Alles andere hat eine wirklich zu kleine Reichweite und als Geschenk dazu noch einen gesalzenen Preis. Ich denke nicht das die Deutschen Hersteller da was im Petto haben. Hatten sie bisher nicht und werden Sie auch nicht. Die hängen so an dem Diesel das die das auch nicht die Bohne kratzt.Es kommen Fette V8 Hybrid mit 20 km pseudo Reichweite die mir dann noch meine Ladesäule blockieren um ihren „Handyakku“ aufzuladen. Danke dafür ihr großen Deutschen Autoversager. Zum Tesla. Auf den Fotos Spiegelt das Display ziemlich. Stört das nicht ? Wie wird das bei Dunkelheit sein? Wird man als Fahrer sehr angestrahlt? Das Display ist ja nicht gerade klein.
    Macht das Model 3 künstliche Geräusche? Kann man diese abschalten? Danke.

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