Genf häppchenweise – Teil 5: Der Polestar 2

Er könnte der Konkurrent für das Tesla Model 3 werden: Der Polestar 2 – das erste rein-elektrische Fahrzeug der neu gegründeten Submarke von Volvo und Geely. Vorgestellt wurde das Mittelklasse-Elektroauto mit dem Zeug zum Bestseller auf der Geneva International Motor Show 2019.

Auf dem diesjährigen Automobilsalon in Genf gab es kaum ein Auto, das so stark belagert wurde wie der Polestar 2. Die neue schwedisch-chinesische Automarke will dabei vieles anders machen – aber dennoch die klassische Autokäufer-Klientel bedienen.

So fällt bereits der Messestand aus dem Rahmen: Anstatt das Fahrzeug auf einem abgesperrten Podest ins Rampenlicht zu rücken, stehen in einem großen, weißen und erstaunlich ruhigen Raum genau zwei Fahrzeuge: Ein Polestar 2 in weiß und eines in grau.

Die gesamte Aufmachung ist typisch skandinavisch kühl, edel und zurückhaltend. Es soll ganz klar das Fahrzeug im Mittelpunkt stehen und für sich wirken. Ablenkende Elemente sind hier nicht erwünscht.

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Reges Interesse am Polestar 2: Der skandinavisch-kühle Präsentationsraum war gut besucht.

Besonders in der schneeweißen Lackierung wirkt der Polestar edel und überzeugt mit seinem kantigen und schlichten schwedischen Design. Auffällig sind die schwarz lackierten Seitenschweller, Front- und Heckschürzenlippe, sowie die Radhäuser. Dadurch erhält die Limousine mit großer Heckklappe einen leicht SUV-artigen Look und soll insgesamt etwas flacher wirken. Die hochgesetzte Bauform wird durch den Akku im Unterboden bedingt. Die Polestar-Designer scheinen daher aus der Not eine Tugend gemacht zu haben und haben den Polestar 2 optisch ein wenig an den Volvo XC70 / Cross Country angelehnt. Insgesamt bleibt der Polestar jedoch aus jedem Blickwinkel erkennbar ein Volvo. Ihre Herkunft kann die Elektrolimousine also nicht leugnen.

Persönlich würde ich mich über eine Variante ohne schwarz abgesetzte Teile freuen. Warten wir es ab, was es noch an weiteren Farbvariationen geben wird. Aktuell kann der Polestar 2 online in diversen Weiß-, Grau- und Schwarztönen konfiguriert werden.

Betrachten wir die inneren Werte des Autos. Der klassische Kofferraum lässt sich dank der Schrägheck-Form besser beladen als der des Model 3. Dahinter verbirgt sich ein 404 Liter großer Stauraum. Für eine Limousine dieser Größe ist das nicht gerade ein überragender Wert. Unter der Fronthaube befindet sich standesgemäß ein Frunk, der mit 34 Litern jedoch eher mickrig ausfällt. Zur Aufbewahrung eines Ladekabels und etwas Zubehör dürfte der Platz aber reichen.

Der Innenraum des Polestar 2 ist ebenfalls eher klassisch geschnitten. Wer einen komplett ebenen Fahrzeugboden im Innenraum erwartet hat, wird enttäuscht. So gibt es weiterhin einen Mitteltunnel, in dem einige der insgesamt 27 Zellmodule der Batterie untergebracht sind. Auch das Platzangebot auf der Rückbank ist ausreichend, aber nicht üppig. Es entspricht ungefähr dem, was man in der Premium-Mittelklasse gewöhnt ist.

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Mit 34 Litern ist der Frunk eher mickrig. Ein Ladekabel dürfte gerade noch reinpassen.

Das Cockpit wird von einer mächtigen Mittelkonsole dominiert, von der ein großes Touchdisplay aufragt. Das Android-basierte System ermöglicht die Installation von Apps aus dem Google Play Store. Für die Navigation gibt es Google Maps, Musikstreaming steht über Spotify zur Verfügung. Das Layout ist ansonsten klassisch gehalten. Es gibt einen Wählhebel für die Fahrtrichtung auf der Mittelkonsole, ein Lenkrad mit vielen Knöpfen, einen klassischen Lenkstockhebel und auch insgesamt findet man sämtliche Bedienelemente dort, wo man sie erwarten würde. Hier verfolgt der Polestar 2 eine gänzlich andere Philosophie als die minimalistische Auslegung von Teslas Mittelklasselimousine.

Das Interieur ist insgesamt sauber verarbeitet, allerdings wirken die Materialien an einigen Stellen nicht so hochwertig, wie sie auf den ersten Blick aussehen. Sparzwang? In dieser Preisklasse und mit der Erfahrung von Volvo hätte ich hier im Detail etwas mehr erwartet.

Die technischen Daten sind jedoch über jeden Zweifel erhaben. Zwei Elektromotoren, jeweils einer pro Achse, liefern 300 kW Leistung. Damit liegt der Schwede gleichauf mit dem Audi e-tron 55 quattro und dem Mercedes-Benz EQC 400 4matic. Der Polestar dürfte jedoch deutlich leichter und unterm Strich windschlüpfriger sein als die beiden großen SUVs.

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Das Heck wird von einem durchgängigen Leuchtenband geprägt. Durch die weit öffenende Heckklappe lässt sich der Kofferraum leicht beladen.

Ein paar weitere Fakten: Die WLTP-Reichweite wird mit 500 km angegeben, was in Anbetracht der „nur“ 78 kWh großen Batterie für eine hohe Effizienz des Autos spricht. Rechnerisch müsste der Verbrauch dann bei unter 16 kWh/100 km liegen. Ein hervorragender Wert!

Der Polestar 2 wird ab nächstes Jahr in der mindestens 59.900 EUR teuren Launch Edition ausgeliefert. Später soll es eine Einstiegsversion ab 39.900 EUR geben, die natürlich mit weniger Leistung (wahrscheinlich nur Heckantrieb) und einer kleineren Batterie angeboten werden soll. Der Polestar 2 wird übrigens in China gebaut. Volvo möchte hier sein internationales Produktionsnetzwerk nutzen und sicherlich spielt die Beteiligung von Geely ebenfalls eine große Rolle bei der Wahl des Produktionsstandortes. Ferner dürfte China einer der wichtigstens Absatzmärkte für das Fahrzeug sein. Der Polestar kann übrigens nur online bestellt werden. Auch hier sind sich Polestar und Tesla näher als andere Hersteller.

 

 

Technische Daten

Fahrzeug: Polestar 2
Energieinhalt Batterie: 78 kWh
Ladeleistung AC: 11 kW*
Ladeleistung DC: 150 kW
Ladezeit DC: 0-80% in < 30 min*
Reichweite (WLTP): 500 km
Leistung: 300 kW
Drehmoment: 660 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,7 s
Höchstgeschwindigkeit: < 180 km/h*

*geschätzt

Wettbewerber

Zukunftschancen

Der Polestar 2 bringt vieles mit, was für einen Verkaufserfolg erforderlich ist: Ein stimmiges Design, das mit seinen Kanten eine interessante Alternative zu Teslas Model 3 ist. Fahr- und Ladeleistungen entsprechen dem, was man von einem Premium-Elektroauto erwarten kann. Ebenfalls wichtig: Weitere Wettbewerber sind zunächst nicht in Sicht. Begrenzendes Element dürfte wieder einmal die Lieferfähigkeit von Polestar. Allerdings haben Geely und Volvo viel Erfahrung mit der Produktion von Fahrzeugen, weshalb man nur hoffen kann, dass hier nicht zu konservativ geplant wurde.

Für die große Masse ist der Polestar 2 mit dem happigen Einstiegspreis zunächst nichts. Daher wird die Einstiegsvariante ein wichtiger Bestandteil sein, um auf wirklich hohe Stückzahlen zu kommen. Allerdings macht Tesla vor, dass man auch von hochpreisigen Versionen durchaus weit über 100.000 Fahrzeuge absetzen kann. Das Zeug dazu hätte der Polestar.

Mehr von der GIMS 2019.

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