Der Nissan Leaf ist das meistverkaufte Elektroauto weltweit. Ich erhielt die Gelegenheit, die aktuelle Generation des emissionslosen Kompaktwagens ausführlich im Alltag zu testen.
Die zweite Generation des Nissan Leaf ist seit 2017 erhältlich. Vom optisch kontrovers diskutierten Vorgänger ZE0 wurden über 200.000 Stück verkauft. Ein Erfolg, an den die intern ZE1 bezeichnete aktuelle Generation anknüpfen soll. Wie sich der emissionslose Kompaktwagen im Alltag schlägt, erfahrt ihr in diesem zweiteiligen Bericht. Los geht es mit dem umfangreichen Karosserie-Check.
Das Design
Erster Eindruck: Das Auto ist ganz schön groß! Ein Blick auf die nackten Zahlen beweist: Mit einer Länge von 4,49 Meter ist der Leaf über 20 Zentimer länger als ein Golf. In der Höhe überragt er den Volkswagen ebenfalls um fast 9 Zentimeter, dafür ist der Leaf einen Zentimeter schmaler. Somit täuscht der erste Eindruck nicht.

Vom optisch doch sehr gewöhnungsbedürftigen Vorgänger hat der ZE1 äußerlich nicht viel übernommen. Die Front wurde geglättet und der aktuellen Nissan-Optik angepasst. Einen richtigen Kühlergrill gibt es nicht, da dieser nicht erforderlich ist. Stattdessen ist die Nase mit einem halbdurchsichtigen, schwarzen Panel verschlossen, hinter welchem sich eine bei Sonneneinstrahlung bläulich schimmernde Wabenstruktur verbirgt.
Darüber befindet sich die geschickt integrierte Ladeklappe, was den Nissan Leaf als „Nasenlader“ outet. Darunter erstreckt sich das schwarze „Kühlergrill“-Panel in die schmalen Scheinwerfer.
In der Seitenansicht fällt am ehesten die Verwandtschaft zum Vorgängermodell auf. Durch die leicht ausgestellten Seitenschweller wirkt der Nissan etwas tiefer und flacher als er tatsächlich ist. An den vorderen Türen prangt ein zero emission Logo und gibt damit einen dezenten Hinweis auf die fortschrittliche Technik des Kompaktwagens. Die schwarz abgesetzte C-Säule kommt ebenfalls der gegenüber dem Vorgänger sportlicheren und stimmigeren Optik zugute.

Auch die Heckklappe und das Dach sind bei der aufpreispflichtigen Zweifarbenlackierung schwarz abgesetzt und integrieren geschickt die pfeilförmigen Rückleuchten. Ein Dachkantenspoiler ergänzt dabei die Heckansicht und verbessert die Aerodynamik. Der Leaf-Schriftzug und ein weiteres zero-emission-Label prangen zusätzlich am Heck. Abgeschlossen wird die Heckschürze von einem Diffusor, welcher dezent bläulich umrahmt ist.
Unterm Strich ist Nissan mit dem aktuellen Leaf ein stimmiges, je nach Perspektive sogar sportliches Design gelungen. Der Leaf fügt sich gut in die aktuelle Nissan Formensprache ein. Auf der anderen Seite fällt der Japaner kaum noch als Elektroauto auf. Ein Laie vermutet hier schnell einen traditionellen Verbrenner.
Der Innenraum
Zeit, sich das Interieur genauer anzuschauen. Der Leaf ist serienmäßig mit einem schlüssellosen Zugangssystem ausgestattet, wodurch sich die Türen per Knopfdruck ent- und versperren lassen.
Sofort fallen die wertigen und ansprechend gestalteten, mit Steppmuster und blauen Ziernähten versehenen Ledersitze auf. Die blauen Ziernähte finden sich auch am Armaturenbrett wieder, was die Cockpitlandschaft deutlich auflockert.

Hinter dem Lenkrad Platz genommen, blickt der Fahrer auf ein großes Display und einen analogen Tacho. Das Leder-Lenkrad – ebenfalls mit blauen Ziernähten aufgewertet – ist unten abgeflacht. Was zu einem Sportwagen passen würde, ist im Leaf unnötig und im Alltag unpraktisch, da das Lenkrad beim Rangieren nicht mehr sauber durch die Hände flutscht. Da man (zu) hoch sitzt, scheint dies eine Notlösung zu sein, um mehr Raum für die Oberschenkel zu schaffen. Unverständlich ist ebenfalls, dass das Lenkrad nur in der Höhe und nicht in der Tiefe verstellbar ist. Eine hundertprozentig optimale Sitz- und Lenkradposition lässt sich so nicht finden.

Ein weiterer Ergonomie-Fail ist die Tastenleiste links vom Lenkrad, über die beispielsweise die Lenkradheizung, der Lenkassistent oder die Umgebungstöne ein- und ausgeschaltet werden können. Leider wird diese Leiste so geschickt vom Lenkrad verdeckt, dass man sich jedes Mal nach vorne lehnen muss, um die entsprechende Taste betätigen zu können.
In der Mitte des Cockpits schließt sich eine klassische, durchgängige Mittelkonsole an. Elektroautotypische, zusätzliche Verstaumöglichkeiten durch den Entfall des Mitteltunnels gibt es deshalb nicht. Im oberen Bereich ist das Touchscreen-Navi untergebracht, welches zusätzlich von einigen Tasten umgeben ist. Darunter befindet sich die Klimaanlage und weitere Knöpfe für die Sitzheizung. Grundsätzlich gilt: Je weiter man sich nach unten arbeitet, desto weniger wertig wirkt die Mittelkonsole. Gerade die Tasten für die Sitzheizung und der 12V-Anschluss wirken altbacken und wie aus den 90er. Abgesehen von einigen Bedienschwächen findet man sich nach kurzer Eingewöhnung schnell zurecht.
Im unteren Bereich der Mittelkonsole befindet sich der Startknopf. Los geht es allerdings erst nach Betätigung des Fahrtrichtungshebels. Dieser kugelförmige Hebel befindet sich vor der Mittelarmlehne, dessen eigentlicher Zweck sich nicht sofort erschließt. Nach links unten ziehen und der Leaf wird in den Fahrmodus D versetzt. Zieht man den Hebel nach vorne links, wird der Rückwärtsgang eingelegt (technisch gesehen wird natürlich nur die Drehrichtung des Elektromotors umgedreht, da ein Elektroauto keinen Rückwärtsgang hat). Ein weiterer, äußerst wichtiger Schalter befindet sich hinter dem Fahrtrichtungshebel: Der Schalter für das e-Pedal. Doch dazu später mehr.
Begeben wir uns in die zweite Sitzreihe. Hier findet man mehr als ausreichend Bein-, aber ab 1,80 Meter Körpergröße wenig Kopffreiheit wieder. Verbrennerlike ist der hohe Mitteltunnel, der die Beinfreiheit für den Mittelplatz unnötig einschränkt. Das sollte besser gehen. Wie man es auch von anderen BEVs wie der Renault Zoe kennt, sitzt man insgesamt auf der Rückbank etwas höher, da sich darunter der Akku des Nissan Leaf befindet.
Schauen wir uns den Kofferraum an. Hier fällt sofort die große Endstufe des Bose-Soundsystems auf, die ziemlich unpraktisch quer im Ladeabteil befestigt ist. Das raubt zum einen 15 Liter Ladevolumen, zum anderen fehlt es dadurch schlicht an Grundfläche im Kofferraum. Größere Einkaufskisten muss man deshalb immer mit einer Seite auf der Endstufe abstellen. Ansonsten hat der Kofferraum mit 400 bis 435 Litern ordentlich Platz (-15 Liter mit Soundsystem). Ein weiteres Manko ergibt sich jedoch, wenn man die Rücksitze umlegt. Hier lassen sich nur die Lehnen klappen (im Verhältnis 60:40) und es entsteht ein sehr hohe Stufe. Ebenfalls unpraktisch ist die hohe Ladekante. Beides Aspekte, die das Beladen mit großen Gegenständen deutlich erschweren.
Gut gelöst dagegen sind die kleinen Gepäcknetze links und rechts im Kofferraum, die das Mode-2- und Mode-3-Ladekabel aufnehmen. Damit bleibt der Kofferraum aufgeräumt und die Ladekabelage nimmt kaum Platz weg.
Multimedia und Connectivity
Der Nissan Leaf ist serienmäßig mit einem 5,8″-Touchscreen-Navi ausgestattet, das durch einige Hardkeys ergänzt wird. Ab Acenta wird ein 7″-Navi verbaut (wie auch im Testwagen). Die Bedienung ist halbwegs intuitiv, allerdings muss man für viele Einstellungen tief in die Untermenüs abtauchen. Hier wäre weniger mehr.

Das Navigationssystem verfügt nur über TMC und ist daher verkehrstechnisch nie auf dem neuesten Stand. Da die Bedienung der Navigation zu umständlich ist, habe ich fast immer auf die bewährte Google-Navigation meines Smartphones zurückgegriffen.
Positiv hervorzuheben ist der sehr gute Klang des Bose-Soundsystems, welches mit der höchsten Ausstattungsvariante Tekna geliefert wird. Per Bluetooth lässt sich jeweils ein Handy für die Medienwiedergabe und auch eines zum Telefonieren koppeln. Das funktioniert schnell und unkompliziert, auch das Wiederverbinden klappte einwandfrei.
Ab Acenta verfügt das Navi ebenfalls über eine Schnittstelle für Android Auto und Apple CarPlay. Ist das Smartphone per USB mit dem Fahrzeug verbunden, werden Spotify, Google Maps, Podcast-Player und ähnliche Apps auf das Leaf-Display gespiegelt. Das funktioniert an sich sehr gut, weist dann aber die Android-Auto-typischen Bedienungsschwächen auf. So ist dann beispielsweise die Musiksuche bei Spotify nicht möglich.
Ebenfalls ab Acenta kann der Leaf mit der App NissanConnect EV verbunden werden. Über die App erhält man jederzeit Infos über den Ladezustand oder kann die Vorklimatisierung einschalten. Letzteres funktioniert auch, wenn der Leaf nicht am Ladekabel hängt. Sehr praktisch als Laternenparker. Detail am Rande: Ist der Leaf mit der Lenkradheizung ausgestattet, wird diese ebenfalls eingeschaltet. Die Sitzheizung allerdings nicht.
Zusätzlich enthält die App haufenweise Statistiken zum Stromverbrauch inklusive Vergleichsmöglichkeit mit anderen Leaf-Fahrern. Die App selber ist sehr nützlich – hat jedoch ein sehr großes Manko: Sie reagiert häufig unfassbar langsam. Mal schnell den Ladezustand checken? Das kann gerne drei, vier Minuten dauern, bis alle Daten zwischen Smartphone, Server und Fahrzeug ausgetauscht wurden. Das muss besser gehen. Denn die App selber kann überzeugen und bietet die wichtigstens Funktionalitäten.
Im nächsten Teil widme ich mich ganz dem Fahren und der Technik und ziehe mein Fazit nach 14 Tagen mit dem Nissan Leaf.
Weiterführende Links
- Nissan-Herstellerseite
- Elektrisch durch die Alpen – Unterwegs mit dem Nissan Leaf beim CleanElectric Podcast
-
Electrify-BW – Der Podcast #31: Auf großer Reise mit dem Nissan Leaf 2
Hinweis: Das Fahrzeug wurde mir von Nissan Deutschland kostenlos zur Verfügung gestellt.