Hybrid-Spezial – Teil 2: Der Mild-Hybrid (MHEV)

Vor ziemlich genau 10 Jahren stattete Daimler als erster Hersteller überhaupt ein Hybrid-Fahrzeug mit einer Lithium-Ionen-Batterie aus: Den Mercedes-Benz S 400 HYBRID. Bei diesem Pionier der Hybrid-Technologie handelte es sich um einen Mild-Hybrid. Doch die Idee des Mild-Hybrids ist bereits viel älter, wie der zweite Teil des Hybrid-Spezials zeigt.

Bei den Micro-Hybriden (Abkürzung: MHEV für Mild Hybrid Electric Vehicle) handelt es sich um die erste Stufe der Elektrifizierung, bei der man tatsächlich von einem Hybrid-Fahrzeug sprechen kann, ohne rot zu werden.

Audi 100 Avant Duo von 1989
Der Audi 100 Avant Duo von 1989 verfügte bereits über eine elektrifizierte Hinterachse. Der Elektromotor leistete 9 kW. (Foto: © Audi AG)

Die Idee einer leichten, elektrischen Unterstützung ist bereits einige Jahrzehnte alt. Auf Basis des Audi 100 Avant zeigten die Ingolstädter 1989 bereits eine Studie mit Hybrid-Antrieb, den Duo. Die Vorderachse wurde von einem Audi-typischen Fünfzylinder-Motor angetrieben und an der Hinterachse befand sich ein 9-kW-Elektromotörchen.

Es sollten noch ein paar Jahre vergehen, bis das erste Serienfahrzeug mit Mild-Hybrid-Technologie auf der Tanzfläche erschien, dass auch in nennenswerter Stückzahl produziert wurde: der Honda Insight. Im Jahr 1999 kam das kleine, aber extrem aerodynamische Auto (cW = 0,25) auf die Straße. Der Insight war mit einem kleinen 1,0-Liter-Dreizylinder-Benziner ausgestattet, der bescheidene 50 kW (68 PS) leistete. Ein 10 kW (13,5 PS) leistender Elektromotor unterstützte den Verbrenner. Die Nickel-Metalhydrid-Batterien (NiMH) waren hinter den beiden Sitzen untergebracht und lieferten eine Nennspannung von 144 Volt. Der mit unter 900 kg ebenfalls sehr leichte Insight konnte bereits Bremsenergie zurückgewinnen (= Rekuperation), indem der Elektromotor als Generator fungierte. Andersherum konnte der Elektromotor aber auch dem Dreizylinder unter die Arme greifen und mit zusätzlicher Leistung unterstützen. Zusätzlich konnte der Verbrenner auch über den Motor-Generator die Batterie laden. In Summe erfüllte der Honda Insight bereits alle Merkmale eines typischen Mild-Hybriden.

Honda Insight
Der Honda Insight der ersten Generation darf als Pionier der Mild-Hybrid-Technologie angesehen werden. Im NEFZ-Verbrauchszyklus verbrauchte der Wagen bemerkenswerte 3,4 Liter auf 100 km, was 80 g CO2 pro km entspricht. (Foto: © Honda)

Honda baute diese Technologie weiter aus und nannte sie anschließend IMA, was für Integrated Motor Assist steht. Der Name verrät bereits, dass hier weniger das vollelektrische Fahren im Fokus steht, sondern der E-Motor als Assistent des Verbrenners arbeiten soll. Honda stattete unter anderem den Civic, die zweite Generation des Insights, das Sportcoupé CR-Z und den Honda Jazz mit der IMA-Technologie aus. Elektrisches Fahren ließ der IMA allerdings nicht zu, da der Elektromotor immer fest mit dem Verbrenner verblockt war und nicht von diesem abgekoppelt werden konnte.

Als nächster wichtiger Meilenstein der Technologie muss der eingangs erwähnte Mercedes-Benz S 400 Hybrid (Baureihe 221) angesehen werden, der weitere 10 Jahre später, im Jahr 2009, in den Handel kam. Hier wurde zum ersten Mal überhaupt in einem Hybrid-Fahrzeug auf die leistungsfähigeren Lithium-Ionen-Akkumulatoren gesetzt. Bis dato waren NiMH-Akkus üblich. In der Mercedes S-Klasse verfügte der Speicher über 800 Wh Energieinhalt und konnte einen Elektromotor mit 15 kW (20 PS) antreiben. Die E-Maschine unterstützte den V6-Ottomotor, der wiederum 205 kW (279 PS) leistete. Die Systemleistung lag bei 220 kW (299 PS). Klar, das mit der kleinen Batterie und dem schwachen Motor nicht allzuviele Funktionen möglich waren. In der S-Klasse diente der E-Motor als Starter und Generator, der in der Getriebeglocke integriert wurde. Daher nannte Mercedes das System auch ISG, für integrierten Starter-Generator (= ISG). Der Name ist nicht unähnlich zu dem von Honda.

Der ISG konnte den V6-Motor problemlos starten, weshalb der klassische Ritzelstarter entfallen konnte. Eine „Lichtmaschine“, die über den Keilriemen angetrieben wurde, war ebenso wenig erforderlich. Die Lithium-Ionen-Batterie lag mit 125 Volt bereits im Hochvolt-Spannungsbereich (HV-Spannung). Da es aus energetischer Sicht sinnvoll ist, große Verbraucher an das HV-Netz anzubinden (je höher die Spannung, desto geringer der Strom, desto geringer die Leitungsverluste, siehe auch hier), wurde der Klimakompressor ebenfalls elektrifiziert und an das HV-Netz angeschlossen.

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Die Li-Ionen-Batterie hatte einen Energieinhalt von 800 Wh und leistete bei 125 Volt Nennspannung bis zu 15 kW. (Foto: © Daimler AG)

Ein elektrisches Fahren war auch mit diesem System noch nicht möglich, da der S 400 Hybrid ebenfalls über keine Trennkupplung zwischen Verbrenner und Elektromotor verfügte. Die Batterie wurde auch hier entweder über den Verbrenner oder mit Bremsenergie aufgeladen. In erstem Fall geschah dies idealerweise über die sogenannte „Lastpunktanhebung“. Der Verbrennungsmotor wird dabei zusätzlich mit dem Elektromotor belastet, wodurch der Verbrenner in einen wirkungsgrad-optimierten Lastpunkt versetzt wird. Die überschüssige Energie wird dann in die Batterie geladen und steht später zum Betreiben von Nebenverbrauchern oder zum Antreiben der Räder bereit.

Mercedes setzte die Nachfolgegenerationen des ISGs noch in der E-Klasse (BR 212) und in der C-Klasse (BR 205) ein. Hier leistete das System 20 kW (27 PS) und durch den Einsatz einer Trennkupplung zwischen Verbrenner und ISG konnten die E- und C-Klasse auch einige Meter elektrisch fahren und beim Fahren segeln, also den Verbrennungsmotor bei sehr niedrigen Lasten während der Fahrt abschalten, um Kraftstoff zu sparen.

Sowohl die Systeme von Mercedes als auch von Honda setzten auf ein Hochvolt-System. Hiervon ist im Automobilbau die Rede, wenn die maximale Spannung eines Systems über 60 Volt liegt. Ab dann gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen und das System wird entsprechend aufwendiger und teurer. Ein HV-System ist also nur sinnvoll, wenn hohe elektrische Leistungen sehr häufig abgerufen werden. Das ist bei den bescheidenen Leistungen der Mild-Hybride nicht oft der Fall. Es stellt sich daher die Frage, ob man die Vorteile eines Mild-Hybriden nicht auch ohne ein aufwendiges HV-System mitnehmen kann.

MHEV for the Masses – der 48-Volt-Mildhybrid

Genau diese Überlegung führte zu einer neuen, weit verbreiteten Spannungsebene, dem 48-Volt-System. An dieses können bereits viele leistungsstarke Verbraucher angeschlossen werden, die durch die – gegenüber der klassischen 12-Volt-Ebene – vervierfachte Spannung deutlich effizienter betrieben werden können.

Durch die standardisierte Spannungsebene steht auch ein deutlich größerer Zulieferermarkt zur Verfügen, was die Technologie günstiger macht, als die Hybrid-Varianten mit Hochvolt-System. Aus diesem Grund finden sich immer mehr Fahrzeuge mit einem MHEV-System auf dem Markt, um den CO2-Ausstoß der Fahrzeuge zu reduzieren, wo sonst die Verbrennungsmotorentechnik an ihre Grenzen stoßen würde.

Neben den ISG-Systemen gibt es auch 48-Volt-Mild-Hybride mit einem riemengetriebenen Starter-Generator (RSG), wie sie im ersten Teil der Serie beschrieben wurden. Sie sind quasi eine Mischung aus Micro- und Mild-Hybrid.

Kia Sportage
Der Kia Sportage ist in bestimmten Motorvarianten auch als 48-Volt-Mildhybrid verfügbar. (Foto: © Kia)

Kurz gesagt…

… ist der Mild-Hybrid die erste Stufe eines „richtigen“ Hybridfahrzeugs. Die Systemvielfalt reicht von minimaler Unterstützung des Verbrennungsmotors bis hin zum elektrischen Fahren – allerdings nur für einige hundert Meter. Mit einem 48-Volt-System stellt der Mild-Hybrid die günstigste Möglichkeit dar, ein Hybridfahrzeug zu realisieren und damit Kraftstoff und CO2 zu sparen.

Hybrid-Check:

Technologie: Mild Hybrid
Stopp-Start: ja
Segeln: ja, je nach System
Rekuperation: ja
Boosten: ja
elektrisches Fahren: ja, je nach System
typische Leistungen: 15 bis 25 kW
Spannungsebene: 48 Volt oder 100 bis 200 Volt

 

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