Probefahrt: Sono Sion

Das Start-Up Sono Motors aus München geht derzeit auf Werbetour mit den ersten beiden Prototypen ihres Solarautos Sion. Ich hatte die Gelegenheit, mich ein paar Minuten hinter das Lenkrad des Elektroautos zu klemmen.

Sonntagabend – kurz vor Sonnenuntergang. Auf dem Parkplatz einer Modekette im schwäbischen Neckartenzlingen stehen zwei Fahrzeuge, die sich bereits aus der Ferne deutlich von den restlichen versammelten Autos abheben. Es sind die beiden Prototypen des Sion, dem Elektroauto des Münchner Start-Ups Sono Motors, die in der Abendsonne glänzen.

Das Design

Auf den ersten Blick fallen – insbesondere beim weißen Fahrzeug – die großen Solarpanels auf der Karosserie auf. Diese sind der Hauptclou an diesem Fahrzeug. Beim Näherkommen zeichnet sich das kantige, durch sehr ebene Flächen dominierte Design ab. Insgesamt wirkt der Sion dadurch etwas klobig, ein bisschen wie ein Lego-Auto.

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Der Sono Sion. Auffälligstes Merkmal sind die Solarpanels auf der Karosserie.

Aus der Nähe betrachtet fällt sofort der Prototypenstatus der Fahrzeuge auf. Es ist müßig, hier und jetzt über die zahlreichen Verbesserungspotentiale zu diskutieren. Diese dürften den Entwicklern (hoffentlich) bekannt sein. Respekt verdient dagegen, was die kleine Mannschaft von etwas über 20 Leuten auf die Beine gestellt hat – nämlich zwei fahrbare Prototypen. Sono Motors traut sich sogar, diese an jeden zu übergeben, der sich für den Test Drive angemeldet hat. Für traditionelle Autohersteller ein absolutes No-Go. Nie würde man einen frühen Prototypen in die Hände von Erna Müller & Co. geben. Diese Art der Kundenzusammenarbeit spricht durchaus für den jungen Autohersteller.

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Die Frontleuchten des Sion. Über die Spaltmaße muss bei diesem Prototyp großzügig hinweggesehen werden.

Bei Start-Ups ticken die Uhren eben etwas anders, aber schließlich müssen für die Serienproduktion auch erstmal die entsprechenden Gelder eingeworben werden. Aber dazu später mehr. Kommen wir zunächst zur Technik des Elektroautos.

Ein BEV mit Sonnenunterstützung

Wie schon erwähnt sind das Highlight des Sion die viSono genannten Solarpanels auf der Karosserie. 330 sind es insgesamt mit einer Leistung von jeweils 3,65 Watt. Die meisten davon befinden sich sinnvollerweise auf dem Dach, aber auch die Türen, die C-Säule, die Motorhaube und sogar das Armaturenbrett sind mit den Solarpanels bestückt. Damit die Solarzellen nicht beschädigt werden, werden diese von einer Polycarbonatbeschichtung geschützt.

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Von der Seite wird die riesige C-Säule deutlich.

Theoretisch leisten die Solarpanels maximal 1.205 Watt. Theoretisch. Da es jedoch äußerst selten vorkommt, dass die Sonne von allen Seiten scheint, sind 800 bis 900 Watt im Idealfall zu erwarten. Bis zu 30 Kilometer zusätzliche Reichweite sollen so – laut Sono Motors – bei idealen Bedingungen nur über die Sonne pro Tag generiert werden können. Im sonnigen Kalifornien, wo Sono Motors einen der Hauptabsatzmärkte sieht, wird das sicherlich häufiger der Fall sein als im trüben Deutschland. Aber nichtsdestotrotz sind auch 15 bis 20 kostenlose Kilometer durchaus eine Ansage. Das kann reichen, um die Fahrt von der Arbeit nach Hause zum Nulltarif zu bestreiten. Es lohnt sich also, den Sion in der Sonne stehen zu lassen. Aber auch bei der Fahrt generieren die Solarpanels zusätzlichen Strom.

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Das Heck wirkt durchaus kräftig. Zumindest sieht der Sion nicht so hochbeinig aus wie ein BMW i3.

Natürlich verfügt der Sion auch über ein Batterie. Diese ist mit 35 kWh für diese Klasse durchaus großzügig dimensioniert. Zum Vergleich: Ein smart forfour electric drive verfügt über lediglich 17,6 kWh, ein wesentlich teurerer BMW i3 94 Ah über 27,2 kWh und nur eine Renault Zoe Z.E. 40 bietet mit 41 kWh derzeit mehr. Für einen Kleinwagen ist der Energieinhalt daher ein sehr respektabler Wert und so gibt Sono Motors auch eine kundennahe Reichweite von 250 km an, was ich für sehr glaubhaft halte. Die Sonnenkilometer sind dabei noch nicht berücksichtigt. Der Verbrauch entspricht damit 14 kWh/100 km.

Die Lade- (und Entlade-)möglichkeiten

Da nachts die Sonne nur in wenigen Regionen der Welt scheint, verfügt der Sion natürlich auch über verschiedene Lademöglichkeiten. Ähnlich wie bei der Renault Zoe oder dem Nissan Leaf befinden sich die Ladeanschlüsse in der Nase. Verbaut ist ein 11-kW-AC-Ladegerät, mit der sich die Batterie in von mir geschätzten 4 Stunden aufladen lassen müsste. Über den CCS-Stecker lässt sich der Sion auch per 50-kW-DC-Schnellladen aufladen. Eine 0-bis-80-%-Ladung dürfte hier weniger als 45 Minuten dauern, aber genaue Werte gibt es dazu leider noch nicht. Ladetechnisch ist der Sion damit gleichauf mit dem BMW i3.

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Alle Anschlüsse zum Laden und Entladen befinden sich unter der Frontklappe. Von links nach rechts: Typ-2-Anschluss und Schuko-Steckdose zum Entladen, CCS-Anschluss zum Laden.

Nun kommt aber ein weiterer Clou: Die Batterie des Sion kann auch gezielt über zusätzliche Anschlüsse entladen werden. Diese Technologie nennt Sono Motors biSono. Dazu verfügt der Wagen ebenfalls unter der Ladeklappe über einen Typ-2-Anschluss und eine Schuko-Steckdose. Eine weitere Schuko-Steckdose befindet sich im Kofferraum des Sion. Über die Haushaltssteckdose kann der Sion somit elektrische Geräte mit bis zu 2,7 kW versorgen. Über den Typ-2-Stecker sind sogar bis zu 7,6 kW möglich. Damit kann der Sion theoretisch anderen Elektrofahrzeugen Starthilfe geben, wenn diese mal mit leerer Batterie liegen geblieben sind. Eine solche Funktionalität ist mir von anderen Fahrzeugen bisher nicht bekannt.

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Der Sion ist ein Vertreter der „Nasenlader“.

Das Fahrerlebnis

Auf besagtem Parkplatz waren die fahrdynamischen Möglichkeiten natürlich etwas eingeschränkt, dennoch konnte man einen ersten Eindruck gewinnen. Längsdynamisch lässt der Sion eigentlich keine Wünsche offen. Mit 125 kW Spitzenleistung hat das Elektroauto genau so viel Power wie ein BMW i3. Als Dauerleistung werden 80 kW angeboten, was für einen Kleinwagen ebenfalls beachtlich ist. Mit dieser Leistung ist der Sion auf jeden Fall sehr zügig unterwegs. Wie sich der Wagen beim Überholen oder auf der Autobahn macht, kann freilich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Die Spitzengeschwindigkeit gibt Sono Motors derzeit mit abgeregelten 140 km/h an. Über die Beschleunigungswerte gibt es ebenfalls derzeit keine Aussage, was sicherlich auch daran liegt, dass die Serienlieferanten der E-Maschine und der Leistungselektronik derzeit noch nicht feststehen.

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Beim schwarzen Exemplar fallen die Solarpanels weniger auf.

Über das Fahrwerk und die Lenkung kann aufgrund der eingeschränkten Testmöglichkeit nur wenig gesagt werden. Die Lenkung fiel – abgesehen von dem sehr dicken Lenkradkranz – nicht weiter auf. Beim Fahrwerk ist definitiv noch Verbesserungspotential vorhanden. Kurze Stöße werden ziemlich ungefiltert nach innen weitergegeben und in Kurven neigt sich das Auto für einen Stadtflitzer noch etwas zu stark. Bis zur Serie dürfte die Fahrwerksabstimmung aber sicherlich noch einige Male überarbeitet werden.

Das Ökoauto

Im Innenraum fällt sofort das grüne Moos auf. Das Moos ist eigentlich kein Moos sondern eine Flechte und muss auch nicht weiter gegossen oder sonstwie gepflegt werden. Es soll aus der Luft bis zu 20% des Feinstaubs hinausfiltern. Beim Wartungstermin werden die Flechten dann einfach ausgetauscht, da auch diese – wie ein normaler Innenraumfilter – irgendwann „voll“ sind. Als kleines Gimmick lassen sich die Flechten in unterschiedlichen Farben illuminieren.

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Kurios: Eine Flechte dient als Innenraumluftfilter.

Der schwarze Sion verfügt außerdem über ein durchsichtiges Solardach. Dies vermittelt ein großzügigeres Raumgefühl und sieht auch einfach cool aus. Hoffentlich kommt dieses Feature so in Serie.

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Der schwarze Sion verfügt über ein transparents Dach, durch welches man die Solarzellen sehen kann.

Die Steuerung des Fahrzeugs wird – wie sollte es anders sein – über einen zentralen Touchscreen durchgeführt. Viele Funktionen ließen sich in dem Prototypen allerdings noch nicht abrufen. Offenbar verfügt der Sion jedoch über eine Internetanbindung und die Navigation erfolgt Tesla-like per Google Maps. Für die Klimaanlage ist derzeit noch ein normales Panel mit Hardkeys installiert, welches bis zur Serie allerdings entfallen und durch entsprechende Funktionen im Touchscreen ersetzt werden soll.

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Über den zentralen Touchscreen werden die Funktionen des Sion gesteuert.

Das Raumangebot

Auf den noch etwas spartanischen Vordersitzen hat man ausreichend Platz. Auffallend bequem empfand ich den Ein- und Ausstieg. Dadurch, dass sich die Batterie im Unterboden befindet, sind die Sitze eben etwas höher installiert als bei „normalen“ Kleinwägen. Auf der zweiten Sitzreihe ist das Platzangebot erwartungsgemäß eingeschränkt. Da es keine Mulden für die Füße gibt, sitzt man etwas froschartig auf der Rücksitzbank. Kopf- und Beinfreiheit sind ebenfalls etwas spärlich, aber nicht klassenunüblich. Für Kinder oder für Kurzstrecken in der Stadt reicht der Platz aber aus. Immerhin gibt es 3 Rücksitze – einen mehr als ein smart forfour hat 😉 .

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Den Kofferraum kann man als quadratisch, praktisch, gut bezeichnen.

Der Kofferraum sieht ein wenig wie eine große, schwarze Höhle aus. Dies liegt an den riesigen C-Säulen, die aufgrund der Solarpanels entsprechend gestaltet sind. Durch das praktische, quaderförmige Layout dürfte man hier locker große Koffer, Getränkekisten oder Umzugskartons hineinladen können. Für die Serie wäre natürlich noch eine umlegbare Rücksitzbank wünschenswert, damit man auch mal ein Fahrrad oder anderes sperriges Transportgut mitnehmen kann.

Der Sono soll übrigens auch eine Anhängerkupplung erhalten, über welche die Prototypen bereits verfügten.

Der Preis

Kommen wir zum dritten, ja vielleicht wichtigsten Highlight des Sion – dem Preis. Sehr günstige 16.000 Euro soll der Sion einmal kosten, dann allerdings ohne die Batterie. Diese kann entweder gemietet oder für unter 4.000 Euro gekauft werden. Mit dann 20.000 Euro würde man ein Elektroauto mit 250 km Reichweite für bis zu 5 Personen erhalten.

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Der Sion mit geöffneter Kofferraumklappe.

Derzeit gibt es nichts vergleichbares auf dem Markt. Ein smart fortwo electric drive kostet knapp 22.000 Euro bei geringerer Reichweite und nur zwei Sitzen. Der forfour steht mit 22.600 Euro in der Preisliste, wobei auch hier die Batterie nur halb so groß ist wie beim Sion. Die Zoe kostet inklusive der kleinen 22-kWh-Batterie mindestens 30.100 Euro.

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In schwarz wirkt der Sion ein wenig wie ein getarnter Erlkönig.

Spannend wird, ob Sono Motors diese Preise in die Serie retten kann und dass dabei dann auch Komfort und Qualität stimmen. Wenn ja, dürfte dem Sion eine erfolgreiche Zukunft beschieden sein.

So geht es weiter…

Derzeit sucht Sono Motors mit Hilfe der beiden Prototypen nach zahlungswilligen Interessenten, die sich an der Crowdfunding-Kampagne beteiligen. Außerdem kann man den Sion bereits vorbestellen. Kommen 5.000 Vorbestellungen zusammen, kann die Serienproduktion bei einem Auftragsfertiger vorbereitet und gestartet werden. Dieser steht wohl schon fest, allerdings durften mir die Sono-Motors-Mitarbeiter darüber noch keine Auskunft geben. Läuft alles planmäßig, dann soll der Sion ab dem zweiten oder dritten Quartal 2019 in Europa vom Band laufen.

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Das Logo von Sono Motors.

Auch wenn der Sion sicherlich noch seine Schwächen hat, verdienen der Mut und die Ideen der jungen Automarke großen Respekt. Ich werde die Entwicklung des Fahrzeugs auf jeden Fall weiter im Auge behalten.

Technische Daten

Batterie

  • Nennspannung ca. 370 V*, max. Spannung ca. 410 V*
  • Zelltyp: voraussichtlich Rundzellen*
  • Energieinhalt: 35 kWh

Leistung

  • Spitzenleistung: 125 kW
  • Dauerleistung: 80 kW
  • Höchstgeschwindigkeit: 140 km/h (abgeregelt)

Laden

  • AC-Laden mit bis zu 11 kW* über CCS-Stecker
  • DC-Laden mit bis zu 50 kW über CCS-Stecker
  • Entladen mit bis zu 2,7 kW über Schuko-Steckdose (2x)
  • Entladen mit bis zu 7,6 kW über Typ-2-Steckdose

Maße

  • Länge: 4,11 m
  • Breite (ohne/mit Spiegel): 1,79 m / 2,06 m
  • Höhe: 1,68 m
  • Radstand: 2,45 m
  • Spurweite: 1,59 m
  • Gewicht: 1,4 t

Solarpanels

  • Solarfläche: 7,5 m²
  • Anzahl Solarzellen: 330
  • Leistung je Solarzelle: 3,65 W (Gesamt: 1.205 W)
  • Wirkungsgrad: 24%

Preis

  • 16.000 Euro ohne Batterie zzgl. Batteriemiete oder Batteriekauf
  • Batterie: unter 4.000 Euro extra

Die mit (*) markierten Daten sind von Sono Motors nicht bestätigt, sondern entstammen den Gesprächen beim Test Drive.

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